Erlebnisse vom Nationalfeiertag in Österreich
„Was, wie kannst Du da hingehen? Das ist doch ein Kasperltheater!“, mit einem Blick, der zwischen Entsetzen und Belustigung wechselte, schaute mich ein Wiener Intellektueller an. Es handelte sich um den Nationalfeiertag Österreichs. Genauer gesagt um das Mega-Event, dass zum Nationalfeiertag jährlich am Heldenplatz in Wien abgehalten wird. Das oft argwöhnisch beäugte österreichische Bundesheer zeigt dort seine Leistungsschau, die Politiker Österreichs versammeln sich, Menschenmassen kommen in großen Scharen, feiern, lachen, staunen,…
Na, ist doch klar, ich muss da hin. So dachte ich mir vor ein paar Jahren. Da war ich eine frisch „Zugroaste“ Deutsche. Assisi, Jerusalem, Patagonien… das waren einige der Orte, wo ich wohnte, bevor es mich Mitte 2007 in die Metropole Österreichs zog. Und jetzt war ich da… Bin es noch immer (das schreibe ich 7 Jahre später & inzwischen glücklich mit einem Österreicher verheiratet). Doch zurück zum Nationalfeiertag.
Als Deutsche fühlte ich mich früher nie besonders stolz „Deutsche“ zu sein. Das hatte man uns in der Schule ja schon von Anfang an ausgetrieben. Und ich wollte immer „weg“. Hatte immer „Fernweh“. „Heimweh“, wie es soviele Andere hatten, kannte ich schon als Kindergarten-Mädchen nicht. Die Ferne und das Exotische zog mich. Die ganze Welt interessiert mich einfach.
Also fand ich, ich konnte es mir schon leisten, mal zum Heldenplatz zu fahren. Einfach so. Aus Neugier. 2008 war ich zum ersten Mal dort. Meine Kamera im Schlepptau. Ich traf schon früh morgens ein. Rechtzeitig zur Parade. Mit Presseausweis durfte ich in die abgesperrten Bereiche. Konnte ganz schön nah ran, ans Spektakel. So nah, wie es eben die anderen Pressefotografen und mein innerer Sinn für „Abstandhalten“ und Feingefühl zuliessen.
Ich war ziemlich gebannt. Ganz ohne Witz: mir haben sie gefallen, die „HEROES in Uniform“. Ob das jetzt politisch korrekt ist oder nicht, da bin ich mir gar nicht ganz sicher. Natürlich stehe ich für Schutz & Hilfe. Und ganz besonders für Frieden, Freiheit & Gerechtigkeit. Das ist mir wichtig. Vom Kopf her weiss ich: mit Gewalt kann man keinen langfristigen Frieden gewinnen (wozu also Waffen?!). Ok… Ja und Amen. … Trotzdem: wow. Da kann ich gar nichts machen. Die haben es mir offensichtlich angetan, die, wie ich sie nenne: „Helden in Uniform“.
Als wäre es gestern gewesen, so weiss ich es jetzt noch: ich bin nach dem Tag am Heldenplatz heim – in meine Dachwohnung im 14. Bezirk. Habe die Fotos runtergeladen. Während der Sichtung des Bildmaterials hörte ich ständig „Emma Chaplin“. Und dann dachte ich mir: „Man, das ist doch perfekt für einen Video“… Eine Vielzahl an Stunden später war der Foto-Video fertig. Nachfolgend könnt ihr Euch selbst ein Bild machen…
HELDEN IN UNIFORM – Momente vom Nationalfeiertag am Heldenplatz in Wien
(in manchen Ländern ist der Video ggf. nicht anzeigbar).
Kurze Zeit nachdem der Video online war, wurde ich über Facebook angeschrieben „Sie sollten unsere Haus- und Hof-Fotografin werden“. … Was zuerst mit einem kleinen Wortwechsel begann, brachte mich dann – nach vielen Gesprächen & Konzeptentwürfen – 2009 für eine knappe Woche mit dem österreichischen Bundesheer in den Kosovo. Nicht mit einem Standardflug, sondern mit der geräuschintensiven abenteuerlichen Bundesheer-Maschine, der Hercules. Den Flug vergesse ich sicher nicht. Und die Zeit im Camp Casablanca mit den hautnahen Erlebnissen mit den Bundesheer-Soldaten. Viel war ich dort mit der CIMIC unterwegs. Habe Land und Leute facettenreich kennengelernt. Die Begegnungen mit der vielfältigen multiethnischen Bevölkerung haben mich tief berührt und der Einblick ins der Soldaten hatte mich so „umgeworfen“, dass ich für fast ein Jahr intensiv daran dachte, wie ich wohl selbst ins Bundesheer eintreten könnte – als Auslands-Presseberichterstatterin… Nur: dann hätte ich meine deutsche Staatsbürgerschaft ablegen müssen. Da habe ich erstmals gemerkt: oh, das will ich nicht. Nicht weil ich Österreich nicht mag, ganz im Gegenteil. Aber: ich liebe Deutschland und meine Wurzeln doch zu sehr, als das ich sie einfach so „wegwerfen“ oder „ausradieren“ würde. Denn so kam es mir vor, als ich daran dachte, wie es wohl ist, wenn ich einfach meine deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben würde. Naja. Exkurs beendet.
Was aus dem Kosovo-Aufenthalt hervorging ist: „FACES OF KOSOVO“ – ein Dauer-Projekt mit bisher bereits mehreren Folgeausstellungen, Artikeln, Videoscreenings,… unter anderem 2010 zum Nationalfeiertag am Heldenplatz – auf Mega-Leinwand und im Zelt der internationalen Auslandseinsätze.
Dankbarkeit erfüllt mich. Für mein Leben und diese Erfahrungen. Für all die Begegnungen….
Ist es nicht wahnsinnig spannend, unser Leben? Wie ein Schritt den anderen ergibt?! Und was am Anfang noch manchmal wie „Humbug“, ein „Spiel“, ein bloßes „Abenteuer“ erscheint, macht irgendwann Sinn. Zumindest dann und wann.
In dem Sinne wünsche ich heute – am österreichischen Nationalfeiertag – allen Österreichern und auch allen anderen Menschen rund um den Globus: alles Gute. Was ich in den letzten Jahren – vielleicht gerade auch durch viele Österreicher und die Erlebnisse am Heldenplatz lernte: es ist schön, wenn man eine Vaterlandsliebe hat. Es ist schön, wenn man sich mit seinem Land identifizieren kann, ohne Schuldgefühle (wie es wohl viele (un)bewusst haben, die wie ich aus Deutschland kommen, mit einer Kriegsgeschichte, die man lieber verbergen als vorzeigen mag). Wenn man dazu steht, wer man ist und woher man kommt.
Was ich mir heute für uns wünsche – damit meine ich, für jeden einzelnen von uns: dass wir mit erhobenem Kopf dastehen. Uns in den eigenen Spiegel schauen können und sagen: „ich liebe Dich. Ich schätze Dich. Du bist wunderbar!“. Und dass wir mit dieser Liebe und Strahlkraft hinausgehen in die Welt. Mit Zuversicht. Für eine Zukunft, in der Jeder voll und ganz seine eigene Identität strahlen lassen kann. Mit Würde. Mit Achtung. Mit gegenseitigem Respekt. Für ein Miteinander. In Vielfalt. Mit Wertschätzung und Verbundenheit.
Text & Fotografie © by Claudia Henzler
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